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AGITATION FREE - Portrait einer Band

 vom Sportpalast zum Quartier Latin - die Band ändert sich

· Das Jahr 1970

Am 12.4.1970 fand das "erste deutsche Popfestival" im geschichtsträchtigen Berliner Sportpalast statt. Veranstalter war ein gewisser Jürgen Föhrenbach aus Stuttgart, der daran Pleite ging. Edgar Froese von Tangerine Dream hat versucht, seine Kohle einzuklagen, aber dieser Mensch hob die Schwurhand. Keine Gruppe sah auch nur eine Mark und wo die ganze Kohle bei 5000 zahlenden Leuten an zwei Tagen geblieben ist, weiß niemand.

Für uns war das Wichtigste, daß wir die Leute von Guru Guru kennenlernten. Dies war einerseits gut, aber andererseits auch schlecht. Der Gitarrist der Gurus, Jim Kennedy - ein Amerikaner - erkrankte an Tbc und mußte zurück nach Amerika. Also brauchte man einen Ersatzgitarristen und Axel sprang ein. Schließlich war er so von Guru Guru begeistert, daß er zu ihnen wechselte. Na ja, war auch dufte, immerhin hat er ´ne klasse Gitarre gespielt, Mani Neumeier Freude gemacht und nicht zuletzt seine Frau Sharon kennengelernt, was ihm auch die beste Agitation-Free-Tour nicht hätte bieten können.

Insgesamt spielte Axel etwa drei Monate bei uns, sein Nachfolger wurde Jörg "Joshi" Schwenke , der seinen ersten Auftritt mit uns in der Berliner Akademie der Künste für Amnesty International hatte. Es war ein sehr schönes, weil relaxtes Konzert.

Jörg Schwenkes Eintritt in die Band hing mit meinem Schulwechsel zusammen. Ich habe eine sehr bewegte Schullaufbahn hinter mir. Aus der Waldschule wurde ich in der zehnten Klasse gefeuert (Latein 5, Sport 5, Mens sana...). Ich wollte dann auf die Akademie für Graphik, Druck & Werbung (wie Axel Genrich ), brauchte dafür die mittlere Reife und wechselte auf die Robert-Bosch-Schule, eine Realschule in Berlin-Charlottenburg. Dort lernte ich übrigens Alfred Bergmann kennen. Er war einer meiner Lehrer und später sehr wichtig für Agitation Free. Ich habe dann dort so gut abgeschnitten, daß ich Ende der zehnten Klasse wieder aufs Gymnasium durfte. Also ging ich zur Hildegard-Wegscheider-Schule in Berlin-Grunewald, denn die Akademie interessierte mich nicht mehr.

Wie der Zufall es so will, saß am ersten Tag in der großen Pause auf dem Schulhof ein Typ neben mir, der interessiert in meinen Marshall-Verstärker Katalog schaute (die Amps von Jim Marshall waren damals der Hit, auch Hendrix spielte darauf). "Auch Musiker?", fragte er und wir kamen ins Gespräch. Er war Gitarrist, spielte in einer Band namens "The Shatters", der ehemaligen Begleitband von Manuela, einer damals bekannten Berliner Schlagersängerin, hatte keinen Bock mehr und wollte etwas Neues machen. Der Typ hieß "Joshi" und wir mochten ihn alle vom ersten Tag an, als er bei uns spielte. Joshi hatte eigentlich keinerlei Erfahrung in der Art Musik, die wir machten, aber das machte ihn für uns besonders reizvoll. Er spielte nicht besonders gut, machte aber völlig unerwartete Sachen. Der Zeitpunkt seines Eintritts war Juli 1970.

Um dieselbe Zeit lernten wir durch Thomas Kessler einen Komponisten namens Ladislav Kupkovic kennen. Er war damals bekannt für seine "Wandelkonzerte", bei denen das Publikum zwischen den Musikern, die wie ein Museumsstück auf einem Podest aßen, umherwandern, rauchen, sprechen usw. durfte. Kupkovic suchte einen Rockmusiker, möglichst einen Bassisten, als Exponat für sein nächstes Wandelkonzert. Mir gefiel die Sache und ich sagte zu. Kurze Zeit später habe ich dann bei fünf Konzerten von ihm mitgespielt.

· Das Jahr 1971

Anfang '71 begann Edgar Froese (Tangerine Dream) sich von Zeit zu Zeit Christoph Franke auszuborgen. Ich werde den Gedanken nicht los, daß wir eine der Brutstätten der damaligen deutschen Rockszene, wie John Mayall und Alexis Korner in England, waren. Immerhin fütterten wir die Szene ganz schön mit unseren Leuten. Die Dummen waren im Endeffekt wir. Mitte '71 war Christoph dann fest bei Tangerine Dream. Unser letztes Konzert mit ihm zusammen, war ein weiteres Wandelkonzert von Kupkovic, bei dem diesmal die ganze Gruppe als Exponat mitwirkte. Gerade fällt mir ein, daß Christoph manchmal auch schon vor '71 bei Tangerine Dream mitgespielt hat. Unter anderem hat er zusammen mit Edgar Froese als Studiomusiker für die deutsche Fassung des Stückes "The Boxer" von Simon & Garfunkel in der Fassung der deutschen Popgruppe "New Folksingers" gespielt.

So waren wir also wieder zu dritt. Wenn wir Konzerte hatten, spielten wir mit einem Wahnsinnstrommler aus Berlin-Spandau zusammen, Gerd Klemke. Er kam aus dem Jazz und studierte damals Komposition in der Hochschule für Musik, bei Isan Yun. Ausserdem machte er Rockmusik mit der Gruppe "Garlick Generation", heute lebt und lehrt er in Oslo, Norwegen und in Berlin. Mit ihm haben wir das Konzert gespielt, das uns nach Nah-Ost gebracht hat. Es war März '71, als wir ein Konzert im Berliner Quartier Latin gaben. Gerdi war in Hochform und trommelte ein Wahnsinnssolo, was auch uns in Stimmung brachte. Nach dem Konzert kam ein straight aussehender Typ auf die Bühne und fragte "Lüül", ob wir nicht Lust hätten, in Kairo zu spielen. Er hieße Christian Nakonz, Konsul in der dortigen deutschen Botschaft und wäre schon den ganzen Abend durch die Berliner Kneipen gezogen, auf der Suche nach interessanten Musikern. Obwohl "Lüül" skeptisch war, ließ er sich auf ein längeres Gespräch ein und sie tauschten schließlich die Adressen aus. Zunächst vergaßen wir die ganze Sache.

Irgendwann führte ich dann auf dem Schulhof ein längeres Gespräch mit Michael "Höni" Hoenig, der auch auf meine Schule ging. Da er Interesse an Avantgarde-Musik hatte, schlug ich ihm damals vor, mal mit ins Studio zu kommen und mit der Improvisationsgruppe, die Tommy Kessler leitete, zu spielen. Er kam dann tatsächlich öfter hin und lernte, mit Zuspielbändern zu arbeiten. Als ich dann die Sache hörte, gefiel mir die Art, wie "Höni" arbeitete sehr gut. Ich lud ihn ein, bei einem unserer Konzerte in der TU-Mensa, das wir ursprünglich zu dritt, also ohne Schlagzeug machen wollten, mitzuspielen. Er hat seine Gerätschaften zusammengepackt und mit Tonband und Schwebungssummer Elektronics produziert.Uns gefiel die Sache so gut, daß wir Hoenig anboten, bei uns zu bleiben. Er willigte ein. Zum selben Konzert hat auch noch ein Keyboarder mitgespielt: Christian "Bino" Brero, der eigentlich Kontrabassist im Symphonieorchester ist. Er spielte später bei Os Mundi sowie "Lüüls" Band, hörte aber dann mit der Rockmusik auf.   Kurz darauf (ca. September 1971) kam Klaus Schulze, den wir gefragt hatten, ob er bei uns einsteigen würde, zu einem unser Übungstermine und brachte jemanden mit: Burghard Rausch. Burghard spielte Schlagzeug und war zuerst etwas gehemmt, aber Klaus Schulze managte die ganze Geschichte. Wir haben sofort mit ihm gejammt und waren ganz angetan von Burghard. Nun also war die Gruppe zusammen, die als Agitation Free bekannt geworden ist. 

Agitation Free 1971

Agitation Free im Herbst 1971 auf dem Friedhof an der Heerstraße
Foto vermutlich von Andreas Zezianowski, unserem damaligen Roadie
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 Thomas "Tommy" Kessler fing an uns fürchterlich zu trainieren. Gehörbildung, Harmonielehre und Rhythmik. Er machte viele Versuche mit uns und gab uns Einblick in die E-Musik. Es war wirklich toll. Im Dezember brachte er Peter Michael Hamel mit, der einige Übungstermine mit uns absolvierte. Er erzählte uns dann von einer neuen Plattenfirma (Music Factory) und riet uns, ein Demo-Band zu machen. Während dieser Zeit spielten alle Bandmitglieder auch noch mit anderen Gruppen zusammen. Burghard und ich in einer Band namens Sopwith Camel zusammen mit dem australischen Gitarristen Richard Clapton, der heute wieder in Australien lebt und dort ein berühmter Rockmusiker geworden ist. "Lüül" spielte in einer Improvisationsgruppe, die "Guricht" hieß und aus der Bernhard Arndt kommt, der wiederum zum Schluß bei Agitation Free gespielt hat. Michael Hoenig spielte in E-Formationen. "Lüül", Manuel Göttsching, Hartmut Enke, Klaus Freudigmann, Conrad Schnitzler, Thomas Keyserling und ich spielten ebenfalls in einer E-Improvisationsgruppe namens Eruption und traten damit auch auf. 

· Das Jahr 1972

Wir spielten ein Demoband ein und schickten es an Music Factory, ein Label des Schott-Musikverlags. Die Antwort war positiv und man lud uns für den 25.2.1972 nach Mainz zu einem Konzert im Kurfürstlichen Schloß ein, um unsere Live-Qualitäten (gegen gute Gage) zu testen. Irgendwelche Bosse von Plattenfirmen waren auch da und deren Kritik war recht gut, so daß Music Factory sich entschloß, eine Platte mit uns zu produzieren. 

Agitation Free bei Mainz

Aufnahme in der Umgegend von Mainz, am Tag nach dem Konzert
Foto von Dr. Peter Hanser-Strecker, dem Chef von Music Factory
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Wir haben in der Folge einen (d.h. mehrere) Plattenverträge unterschrieben, über die man lieber nicht sprechen sollte. Das einzig Positive war der uns zur damaligen Zeit relativ hoch erscheinende Lizenzsatz, aber wir hatten natürlich keinen blassen Schimmer und schätzten unseren Marktwert völlig falsch ein. Jedenfalls waren wir froh, einen Plattenvertrag zu haben und keiner ahnte, daß unsere Einstellung sich in den folgenden Jahren von Freude in Ärger wandeln würde.

Inzwischen hatte sich Kairo in Form eines Briefes gemeldet, der von Christian Nakonz, der seines Zeichens tatsächlich Konsul war, kam. Er teilte uns mit, daß er inzwischen mit seinem Freund Hartmut Geerken vom Goethe-Institut gesprochen habe, und daß Kairo die Federführung für eine Tournee mit uns übernommen hatte. Im Frühjahr 1992 sollte es losgehen. Wir waren platt!  



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